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Auf zu neuen Ufern Brückensanierungen im Wandel

Nirgends wird der Wandel der Zeit so sichtbar wie an unseren Brücken: Unser mobiles Leben, unser Konsumverhalten und das damit einhergehende hohe Verkehrsaufkommen haben ihre Spuren hinterlassen. Durch unseren Lebenswandel haben die Brücken in Deutschland mit extremen Belastungen zu kämpfen. Viele von ihnen müssen dringend saniert werden. Für die komplexen Instandsetzungsarbeiten an den hiesigen Brücken wird Erfahrung, Kompetenz und Sachverstand benötigt. Das alles vereint nun ein DVS-Merkblatt, das demnächst in aktualisierter Fassung erscheint.

Ursachen der Brückenschäden

Allein in Düsseldorf sorgen fünf Brücken dafür, dass Menschen das andere Rheinufer erreichen. Sie stellen wichtige Verkehrsadern dar, für die es keine angemessenen Alternativen gibt. Doch Brücken stehen immer häufiger in den Schlagzeilen, denn einige von ihnen sind marode.

Genau deshalb beschäftigt sich ein DVS-Merkblatt, das im Jahr 2022 in aktualisierter Fassung erscheint, mit dem Thema „Instandsetzungsarbeiten an Brücken“. Zwei, die maßgeblich an der Überarbeitung des DVS-Merkblatts beteiligt sind, sind Dipl.-Ing. Burkhard Senk von der Schachtbau Nordhausen GmbH und Dipl.-Ing. Michael Paschen vom Ingenieurbüro PSP Prof. Sedlacek & Partner Planung und Entwicklung im Bauwesen GmbH. Sie sind Brückenbauexperten, die ihr Know-how aktiv in die Verbandsarbeit und ehrenamtlich in die DVS-Arbeitsgruppe „Schweißen im Bauwesen“ einbringen.

Wie es zur aktuellen Situation kommen konnte, wissen sie aus ihrer täglichen Arbeit. Einer der Gründe für den Zustand der Stahlbrücken liege bereits Jahrzehnte zurück. Vor allem haben deutlich höhere oder falsche Belastungen der Brücken dazu geführt. „Es gibt eine aussagekräftige Bilderreihe, die ich gerne in Präsentationen nutze. Das erste Bild der Reihe zeigt eine typische Autobahnszene aus den 1950er-Jahren, fast idyllisch, mit zwei, drei Autos auf der Fahrbahn und daneben eine grasende Kuh. Heute ist das Bild ein anderes: Wir sehen drei Spuren, die von Lkws mit bis zu 60 Tonnen Gewicht befahren werden“, berichtet Michael Paschen. Für diese massiven Belastungen und Frequenzen wurden die Bauwerke nicht ausgelegt. „Man hat in den 1980er-Jahren die Rheinbrücken, die ursprünglich zweispurig geplant waren, auf drei Spuren ausgebaut“, erklärt Burkhard Senk. „Der Standstreifen wurde dabei zur Fahrspur, auf der sich heute hauptsächlich Lkws bewegen.“

Ein Blick unter die Fahrbahn vieler Rheinbrücken zeigt das eigentliche Problem. Die schweren Fahrzeuge bewegen sich seitlich hinter dem Rand der Stützkonstruktion, was zu einer ungünstigen Belastung und damit zur „Verdrehung“ der Brücke führt.

Herausforderungen für die Schweißenden

Unter der Fahrbahn der Fleher Brücke, an der die Instandsetzungsarbeiten u. a. durch die beiden Ingenieure Senk und Paschen betreut werden, trennen die Arbeitenden nur einige Zentimeter Stahlblech von den Fahrzeugen über ihnen. Die Vibrationen der Fahrzeuge, die deutlich zu spüren sind, machen schnell klar, welche Belastungen hier auf das Material wirken. In den engen Winkeln der Brücke haben die Schweißenden bereits ganze Arbeit geleistet. An vielen Streben und Übergängen sind die frischen Schweißnähte und Prüfhinweise zu finden. „Schwierig wird es in einigen Bereichen, die nicht so leicht zugängig sind“, erklärt Senk. „Hier muss fallweise geprüft werden, wie Instandsetzungen möglich sind.“

Während der Verkehr kontrolliert über die Fahrbahn rollt, müssen die Schweißerinnen und Schweißer Präzisionsarbeit leisten, um teils erhebliche Risse fachgerecht instand zu setzen. Hier sind fundierte Fachkenntnisse, solide Erfahrung und ein geschultes Auge wichtig. Dies bringen Michael Paschen, Burkhard Senk und viele andere der DVS-Arbeitsgruppe (AG) „Schweißen im Bauwesen“ mit, die aktuell an einer Überarbeitung des Merkblattes DVS 1709 arbeiten, das demnächst unter dem Titel „Instandsetzung und Verstärkung von geschweißten Stahlbrücken“ erscheinen wird.

Gemeinsam sorgen die Ehrenamtlichen in der DVS-Arbeitsgruppe dafür, dass Erfahrungswerte zusammengetragen und strukturiert werden. Damit definieren sie Standards und sichern die Qualität.

Dipl.-Ing. Martin Lehmann, Abteilungsleiter im DVS und Ansprechpartner für die AG „Schweißen im Bauwesen"

Fachwissen als solide Basis

„Die Brücken sind bei der aktuellen Auslastung nicht zukunftsfähig. Viele von ihnen müssen neu gebaut werden“, konstatiert Paschen. „Bis Brücken aber neu geplant, ausgeschrieben und gebaut sind, vergehen Jahre“, ergänzt Dipl.-Ing. Martin Lehmann, Ansprechpartner der AG und Abteilungsleiter im DVS. In dieser Zeit müssen die Bestandsbrücken fachkundig erhalten werden, damit der Verkehr nicht komplett zum Erliegen kommt. Neben der Kompetenz der Planungsbüros kommt es dabei auf die Expertise der Instandsetzungsfirmen an. „Besonders wichtig ist abei die Fachkenntnis der Mitarbeitenden“, sagt Senk.

„Maßgeblich für die Entstehung, Weiterentwicklung und inhaltliche Ausgestaltung des Merkblattes DVS 1709 sind die Kollegen Burkhard Senk und Michael Paschen. Sie werden durch eine zwanzigköpfige Arbeitsgruppe – bestehend aus Bauüberwachern, Ingenieurbüros sowie ausführenden Firmen – kontinuierlich unterstützt. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass Erfahrungswerte zusammengetragen und strukturiert werden. Damit definieren sie Standards und sichern die Qualität“, erklärt Lehmann.

Ein zentraler Punkt dabei: die richtige Einschätzung des Schadensbildes. „Im neuen Merkblatt werden Schadenskategorien dargestellt, in denen Aussagen über die Tragfähigkeit des Bauwerkes getroffen werden. Dies hilft dem Auftraggeber von Reparaturen ganz wesentlich bei der Entscheidungsfindung“, so Senk. „Oftmals wird versucht, mit schweißtechnischem Know-how die vorliegenden Schäden so zu reparieren, dass im Idealfall eine Verbesserung der Dauerfestigkeit erreicht wird“, erläutert er. In besonders kritischen Bereichen helfen Verstärkungsmaßnahmen, denen eine kraftflussgerechte Gestaltung zu Grunde liegt. „Die Schweißerin oder der Schweißer vor Ort soll in der Lage sein zu entscheiden, wie tief und in welchen Schritten er das Material ausarbeitet“, erklärt Michael Paschen. Unerfahrene oder wenig qualifizierte Schweißerinnen und Schweißer können diese Entscheidung nicht treffen. „Aus diesem Grund schulen wir unsere Mitarbeiter intensiv und vermitteln die Erkenntnisse, die wir aus den gemeinsamen Forschungsprojekten mit der DVS Forschung gewinnen“, sagt Burkhard Senk.

„Im Merkblatt wird darüber hinaus auf eine ausführliche Dokumentation hingewiesen“, so Martin Lehmann. Diese soll nicht nur die sorgfältige Durchführung belegen, sondern auch auf die zukünftig notwendigen Bauwerksprüfungen und Instandsetzungsmaßnahmen hinweisen.

Umdenken beginnt im eigenen Kopf

Grundsätzlich bringt uns aber nur ein Umdenken weiter. Wandel beginnt im Kopf eines jeden von uns. Dipl.-Ing. Michael Paschen dazu: „Wenn wir beispielsweise unser  Konsumverhalten ändern, der Rotwein nicht aus Spanien, die Pasta nicht aus Italien kommen müssen, dann tragen wir alle in einem kleinen Maße zur Lebensdauer unserer Brücken – und damit zum Wandel – bei.“

Ihre Arbeitsgruppe im DVS

Parallel zu den Bemühungen in den einzelnen fügetechnischen Betrieben bedarf es darüber hinaus einer konzertierten Aktion der Experten der gesamten Branche, damit die Infrastruktur und die Instandhaltung der zentralen Verkehrswege in Europa gesichert bleibt. Planungsbüros, schweißtechnische Fertiger, Hersteller und Zulieferer, Forscher und Entwickler, Ausbildungs- und Schulungseinrichtungen sowie Abnahme- und Prüfungsorganisationen müssen hier an einem Strang ziehen.

Genau deshalb setzt sich der DVS als Fachverband für Standards zum Beispiel zur Klassifizierung von Schäden an Brücken ein. Die Arbeitsgruppe „Schweißen im Bauwesen“ im DVS fungiert hier als Expertengruppe, Vermittler und Kommunikationsplattform. Sie beteiligt sich an der Schaffung und Harmonisierung von Normen und Bestimmungen für das Bauwesen in Deutschland und Europa.

 

Autoren:
Martin Lehmann, Isabel Nocker, Christian Thieme

Schweißen im Bauwesen

Ihr Kontakt im DVS

Arbeitsgruppe (AG) A5:
Dipl.-Ing. Martin Lehmann